Wohin mit den Skiunfällen?
Die Krankenhäuser sind derzeit mit Covid-Patienten ausgelastet.
Jeden Winter zieht es viele Menschen in die Berge, um Sport zu treiben. Und nicht alle kommen heil ins Tal. Gebrochene Knochen, Sehnen- und auch Kopfverletzungen treten nach Stürzen auf. Rund 2300 Wintersportler verunglücken pro Jahr in Vorarlberg schwer. Das geht aus der aktuellsten Auswertung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit hervor. Die Notfallstationen der Spitäler sind daher in der „Hochsaison“ gut belegt. Dazu kommen heuer Corona-Patienten. Schon jetzt ist die Lage in den Krankenhäusern kritisch, die Kapazitäten nahezu ausgelastet. Wie sich die Situation entwickeln wird, ist schwer einzuschätzen. Man fährt auf Sicht.

Mehrmals wöchentlich wird die Lage in den Spitälern von einer Task Force analysiert. Vertreter von Land, Krankenhausbetriebsgesellschaft, aller Spitäler, Ärztekammer, Experten aus Ärzte- und Pflegschaft, Hygiene- sowie Infektionsvorsorge und Zentralapotheke beraten und beschließen nächste Schritte. „Momentan haben wir keine Skisaison, aber volle Krankenhäuser. In gut zwei Wochen kann die Situation auf Basis der Betten- und Personalkapazität und der Dynamik der Neuinfektionen neu bewertet werden“, heißt es aus dem Büro der Krankenhausbetriebsgesellschaft.
Behandlungen unter Narkose
Skiunfall-Patienten würden zwar in erster Linie die Unfallambulanzen belasten, müssten aber gerade an starken Wochenenden oft stationär aufgenommen werden. Typischerweise müssen sich viele Verunfallte einer Behandlung unterziehen, die eine Narkose erfordert. „Das Anästhesie- und OP-Personal, Ärzte und Pfleger müssen aber derzeit bei der Versorgung der schwerkranken Covid-19 Patienten helfen“, heißt es. Aktuell wird die Bevölkerung daher gebeten, sich bei der Ausübung aller Risikosportarten zurückzuhalten.

Sobald die Lifte öffnen
Trotzdem stellt sich die Frage, wie sich die Öffnung der Skilifte auswirken könnte. Eine Abstimmung zwischen Spitals- und Bergbahnenbetreibern gibt es nicht. „Solange die Spitalsbetten durch Corona-Erkrankte ausgelastet sind, wird der Lockdown wohl nicht gelockert und auch die Seilbahnen bleiben geschlossen“, meint Fachgruppengeschäftsführer Michael Tagwerker. Darüber hinaus könnten Skiunfälle meist ambulant versorgt werden und hätten in der Vergangenheit nie zu Kapazitätsengpässen geführt. „So wird es auch nach der Aufhebung des Lockdown sein“, ist Tagwerker überzeugt.

Auf Skitourengeher und alle anderen Wintersportler, die nicht auf Lifte angewiesen sind, hätten Skigebiete sowieso keinen Einfluss. Nur, wenn Pisten gesperrt sind, dürfen sie auch von Skitourengehern nicht betreten werden. „Ein Bergsportverbot sehe ich rechtlich nicht umsetzbar. Hier muss man an die Eigenverantwortung appellieren“, ist Tagwerker überzeugt.
Ansturm naht
Jedenfalls die Bergrettung rechnet damit, dass die Outdoortätigkeit zunehmen wird. Schon im Sommer gab es einen regelrechten Ansturm auf die Berge. Landesleiter Martin Burger setzt auf interne Lösungen der Krankenhäuser in den Hochfrequenzzeiten. „Unsere Aufgabe ist es, Verletzte in das nächstgelegene geeignete Krankenhaus zu bringen“, sagt er. Die Betreiber der Seilbahnen sieht Burger nicht in der Verantwortung. „Die haben aus meiner Sicht keinen direkten Einfluss auf Skiunfälle. Hier ist der Wintersportler schon selbst schuld“, meint er.

Burger sieht in einem Bergsportverbot keinen Sinn. Selbst wenn gegebenenfalls rigorose Ausgangssperren oder behördliche Gebietssperrungen möglich sein sollten. „Gerade wenn etwas verboten ist, gewinnt es ja an Reiz. Am Ende des Tages zählt die Eigenverantwortung und der Hausverstand der Menschen“, bleibt Burger optimistisch. Auch wenn das seiner Meinung nach herausfordernd werden dürfte.
Ausrüstung stark nachgefragt
Die Vorarlberger Bergrettung rechnet damit, dass im heurigen Winter die Aktivitäten abseits des Skilaufes sicher zunehmen – etwas das Skitouren oder Schneeschuhwandern. Die Rückschlüsse ziehen die Verantwortlichen aus den Verkaufszahlen im Sporthandel. Dort sei Ausrüstung extrem stark nachgefragt und teilweise ausverkauft, sagt Landesleiter Martin Burger. Ganz so bestätigen das die Zuständigen bei der Wirtschaftskammer nicht. „Seitens des Handels besteht definitiv kein Engpass“, informiert Fachgruppengeschäftsführerin Maria Seidel. Es gab ihren Angaben zufolge zwar bis zum Lockdown eine sehr gute Nachfrage, aber von „ausverkauft“ sei man wohl weit weg. „Der Herbst lief insgesamt auch nicht gut im Sportartikelhandel“, ergänzt sie. Ob es derzeit herstellerseitig Engpässe gibt, konnten die Vorarlberger Händler aber nicht abschätzen. Denn die spüren den Trend nur im Zuge von Nachbestellungen, die derzeit natürlich nicht getätigt werden.
„Da nützt dann kein Nochejassen“
Mit vielen unerfahrenen Bergneulingen im Schnee rechnet das Team von „Sicheres Vorarlberg“. Die Einsteiger sollten sich auf simple Touren beschränken, vorab Kurse besuchen oder sich – sofern möglich – an einen Bergführer wenden. „Bereits in den letzten Jahren war ein deutlicher Anstieg von Pistenskitourengehern zu spüren. Das Aufkommen dürfte heuer noch einmal steigen“, vermutet Projektleiterin Verena Jochum. Dies führe neben Konflikten auch immer wieder zu Unfällen durch Zusammenstöße mit Skifahrern oder besonders am Abend mit Pistenraupen. Hier gilt es, die Regeln des Skigebiets zu beachten und rücksichtsvoll miteinander umzugehen.

Geschäftsführer Mario Amann hofft nicht, dass die Krankenhäuser und die gesamte Rettungskette so ausgelastet sind, dass ein verunfallter Sportler nicht mehr notversorgt werden kann. „Aber was passieren kann, ist, dass nicht die gewohnte ärztliche Versorgung gewährleistet werden kann. Das muss jedem einzelnen bewusst sein, bevor er sich ins Vergnügen stürzt. Da nützt dann kein Nochejassen“, gibt Amann zu bedenken.
Unfallprävention
Was die Unfallprävention betrifft, seien die Bergbahnen in Vorarlberg gut aufgestellt, man denke an die vielen Hinweisschilder, Absperrungen und die gute Pistenpräparierungen. Aber das alles nützt nur etwas, wenn sich die Wintersportler auch an die Hinweisschilder und Absperrungen halten.
Sicheres Vorarlberg wird auch diese Saison auf Aktionen wie den Lawinenverschütteten-Such-Tag am 9. Jänner und den Abseits-der-Piste-Kursen sowie auf Fortbildungen setzen – sofern möglich.