Land will auf Qualifizierung setzen

Wallner setzt auf Qualifizierung – Kocher sieht Strukturwandel.
Das Land Vorarlberg will in der Corona-Krise stark auf Qualifizierung setzen, um nach dem Ende der Pandemie für den folgenden wirtschaftlichen Aufschwung vorbereitet zu sein. „Das Thema Fachkräfte ist nicht verschwunden“, stellte Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) am Donnerstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) in Bregenz fest. Vorarlberg habe schon einmal – nach der Textilkrise – einen Strukturwandel gut bewältigt, sagte Kocher. Nach dem Ende der Pandemie werde man einen Strukturwandel erleben, etwa in Richtung Umwelttechnologie, sagte der Arbeitsminister. Über Qualifizierungsmaßnahmen sei es möglich, dass Personen in ihrem angestammten Arbeitsbereich verbleiben oder in einem neuen Berufsfeld Arbeit finden könnten.
ÖGB fordert mehr Arbeitslosengeld
Den Antrittsbesuch von Arbeitsminister Martin Kocher veranlasst den ÖGB-Landesvorsitzenden Reinhard Stemmer zu kritischen Worten. Der Minister stehe bei Hilfen für Arbeitssuchende auf der Bremse. „Es braucht unbedingt Impulse der Bundesregierung, um Jobs zu schaffen, aber es braucht auch unbedingt Investitionen in die Menschen, um sie vor dem Existenzaus zu bewahren“. Darauf zu hoffen, dass die Wirtschaft das Problem allein löse, sei illusorisch, ließ Stemmer in einer Aussendung wissen.
Der Gewerkschafter erinnerte daran, dass 18.000 Arbeitssuchende 2600 offenen Stellen gegenüberstehen. „Tausende Menschen sind zum Teil seit mehreren Monaten arbeitslos und müssen mit der Hälfte ihres vorherigen Einkommens auskommen. Gerade in Vorarlberg, wo die Lebenshaltungskosten höher sind als anderswo, spielen sich in manchen Familien Dramen ab, weil sie nicht mehr wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Zudem wissen sie nicht, wann sie wieder einen Job bekommen“, betont Stemmer. Er forderte einmal mehr dringend die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent. „Sich erst nach der Krise eine Reform des Arbeitslosengeldes anzusehen, kommt für viele zu spät.“ Ein degressives Modell, wie von Kocher präferiert, wird von Stemmer abgelehnt, „weil so ein Modell auch nicht mehr Jobs bringt“.
Wallner betonte, dass in Vorarlberg aktuell über 3000 Personen eine Qualifizierungsmaßnahme durchlaufen. Die Bereiche Tourismus und Gastronomie würden besonders unter der aktuellen Situation leiden und hätten die Sorge, dass sie Mitarbeiter verlieren. „Am Ende öffnen wir und haben zu wenige Mitarbeiter“, sagte Wallner. Man erachte deshalb Qualifizierung als wichtig. Kocher unterstrich, dass es bei den Arbeitslosen im Tourismus nicht um eine Um-, sondern um eine Höherqualifizierung gehe. Obwohl Vorarlberg aktuell über 15.000 Arbeitslose ausweist – ein Plus von über 56 Prozent im Vorjahresvergleich –, sah Wallner „positive Signale“. Die Öffnungsschritte hätten eine spürbare Verbesserung gebracht, etwa im Handel. Für 62.000 Vorarlberger, die Kurzarbeit in Anspruch nehmen mussten, seien 300 Millionen Euro nach Vorarlberg geflossen. Nun seien noch 24.000 Personen zur Kurzarbeit angemeldet. Kocher nannte die Kurzarbeit ein „sehr gutes Instrument“, um über die Krisenmonate zu kommen, ab Juli werde es allerdings ein neues Kurzarbeits-Modell geben müssen.
„Das Thema Fachkräfte ist nicht einfach verschwunden.“
Markus Wallner, Landeshauptmann
Vorarlbergs Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP) nannte die in Vorarlberg beabsichtigten Öffnungsschritte „unumgänglich“. Die Hälfte der Steigerung bei den Arbeitslosenzahlen gehe auf die Bereiche Gastronomie und Tourismus zurück. Man müsse darauf achten, dass nach der Krise keine höhere Sockelarbeitslosigkeit zurückbleibe. Ebenso dürfe es keine Fortschrittsverlierer und auch keine „Lost Generation“ geben. Man wolle den Jugendlichen in Bezug auf einen Lehrstellenplatz deshalb noch treffsicherere Angebote machen.
Sowohl Wallner als auch Tittler bedankten sich bei Bund und AMS für 59 Millionen Euro, die in diesem Jahr in Vorarlberg für arbeitsmarktpolitische Aktivitäten zur Verfügung stehen – „so viel wie noch nie“. Es gebe die Zusage, dieses Niveau auch in den nächsten Jahren zu halten, um „nachhaltige Programme etablieren zu können“, so Tittler.