Landeshauptmann Wallner in der Kritik

Armutskonferenz ortet Mitverschulden an der Spitalsüberbelastung.
Die Vorarlberger Armutskonferenz kritisiert die Landesregierung und deren Corona-Management. Konkret ist für die Initiative die Situation in den Spitälern und der daraus gefolgte zweite Lockdown hausgemacht.
„Die Armutskonferenz erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Landeshauptmann Wallner bereits Ende April Sparmaßnahmen in allen Bereichen des Landesbudgets angekündigt hat, im Sozialbereich sollten es fünf Prozent sein, in den Spitälern sogar zehn Prozent“, heißt es in einer Aussendung. Damals setzte die Armutskonferenz einen offenen Brief auf, der unter anderem eine Aufstockung des Krankenhauspersonals forderte und die Kürzung kritisierte.
Klare Worte
Vonseiten der Landesregierung wurde mit einer strukturellen Einschränkung mit haushaltspolitischen Überlegungen argumentiert. Das kann Michael Diettrich, Sprecher der Vorarlberger Armutskonferenz, nicht nachvollziehen und sieht keinerlei Notwendigkeit für strukturelle Einschränkungen. Er legt die Lage in den Vorarlberger Spitälern dar und rechnet in einer Aussendung das Defizit des Landes gegenüber den anderen Bundesländern vor, indem er mit den Zahlen aus der Krankenanstaltenstatistik wie folgt argumentiert:
„Vorarlberg hat mit 529 Betten pro 100.000 Einwohner die geringste Spitalsbettendichte aller Bundesländer (Österreichschnitt: 750) und zudem noch die schlechteste Personalausstattung. Zudem liegt Vorarlberg bei der Ausstattung mit Intensivbetten gerade eben über dem Minimumrichtwert des Österreichischen Strukturplans Gesundheit (ÖSG): Der gibt mindestens 22 Intensivbetten je 100.000 Einwohner vor (Maximum: 36). Vorarlberg hat 22,96, der österreichische Durchschnitt liegt bei 28,97. Auch bei der Ausstattung der Betten schneidet Vorarlberg schlechter als der Bundesdurchschnitt ab: Von den 66 laut Regionalem Strukturplan Gesundheit (RSG) regulär im Land zur Verfügung stehenden Intensivplätzen für Erwachsene waren lediglich 34 technisch und personell voll ausgestattet und damit für Corona-Behandlungen geeignet. Die restlichen 32 Plätze waren nur für kurzzeitige Überwachungen vorgesehen, hatten großteils keine Beatmungsgeräte und nur den halben Personalschlüssel.

Im österreichischen Durchschnitt ist das Verhältnis knapp zwei Drittel voll ausgestattete Intensivplätze zu einem Drittel Überwachungsplätze. Selbst wenn man jetzt die eigentlichen Überwachungsplätze mit Beatmungsgeräten technisch für Coronabehandlungen aufgerüstet hat, fehlt immer noch das Pflegepersonal. Das wird durch die Verlegung von Personal aus anderen Bereichen ausgeglichen, das aber grundsätzlich nicht für die Intensivpflege ausgebildet ist.“
„Wallner trägt Mitverantwortung“
Die strapaziösen Arbeitsbedingungen für das Krankenhauspersonal am bisherigen Höhepunkt der Pandemie macht Diettrich an den Kürzungen fest. Aufgrund diesen wäre es nicht möglich, weiter Personal aufzubauen, sondern müsste eher abbauen.
„Dem auch für die Landesfinanzen zuständigen Landeshauptmann ist deshalb vorzuhalten, dass er für die derzeitigen Engpässe auf den Intensivstationen Verantwortung trägt und damit einen Beitrag dazu geleistet hat, dass wir jetzt in einem zweiten Lockdown stecken“, redet Diettrich nicht um den heißen Brei.
Weiter ist es laut der Armutskonferenz ersichtlich, dass die Landesregierung nicht auf die zweite Welle in dieser Form vorbereitet war. Unverständlich für die Verantwortlichen, habe doch auf Initiative der Vorarlberger Ärztekammer eine Expertengruppe der Gesundheitslandesrätin bereits im Mai Empfehlungen für ein Infektionsszenario unterbreitet, das den jetzigen Zahlen sehr nahekam. Darin sei gewarnt worden, man solle sich auf ein solches Szenario im Herbst einstellen. Dies sei aber wohl nicht geschehen. Aufgrund des vorgestellten Landesbudgets für 2021 befürchtet Diettrich, dass es sogar zu einem dritten Lockdown kommen könnte, da der Personalaufbau in Krankenhäusern nicht vorgesehen ist.
Dritter Lockdown
Laut Michael Diettrich gilt es durch den Aufbau von Personal im Gesundheitswesen dringlich einen dritten Lockdown zu verhindern. Einen solchen könnte sich Vorarlberg nicht leisten. „Nicht aus wirtschaftlichen Gründen: Wir sprechen viel zu wenig über die Schäden, die gar nicht dem Virus selbst zuzuordnen sind, sondern aus den Lockdown-Maßnahmen resultieren! Unter diesen Kollateralschäden leiden in erster Linie diejenigen, die sich eh schon am unteren Ende unserer Gesellschaft befinden: vulnerable Gruppen, sozial Benachteiligte und Menschen mit niedrigem Einkommen“, lässt der Sprecher der Armutskonferenz wissen. Es sei dringend nötig damit aufzuhören, das System kaputt zu sparen.
„Das hat nichts mit einer Solidaritätshaltung gegenüber anderen von Corona schwer getroffenen Branchen zu tun, sondern resultiert einzig und allein aus den Sparvorgaben des Landeshauptmanns. Hätte Vorarlberg eine dem Bundesdurchschnitt entsprechende Intensivbettenausstattung, hätten wir in der Regelausstattung 17 Intensivplätze für Erwachsene mehr als jetzt, und der Landeshauptmann müsste sich keine Sorgen mehr um die Intensivstationen machen“, rechnet Diettrich vor.
Daher fordert die Armutskonferenz den Ausbau der Spitalskapazitäten, besonders im Bereich des Personals, um einen weiteren Lockdown zu verhindern.